Sozialdatenschutz nach § 200 Abs. 2 SGB VII
vom Bundessozialgericht präzisiert

Mit den Urteilen vom 21.3.2006 und – ganz aktuell – vom 5. Februar 2008 hat das Bundessozialgericht die entscheidenden Weichen dafür gestellt, wie die Sozialgerichtsbarkeit in Sachen § 200 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII zu verfahren hat, wenn die Beklagte, in der Regel die Berufsgenossenschaft oder eine Unfallkasse, während eines laufenden Gerichtsverfahrens z.B. ein Gutachten über den Kläger einholt. Berührt ist hier auch die Frage, ob ein Sachverständigenbeweis, der schon im vorangegangenen Verwaltungsverfahren von einem Unfallversicherungsträger verfahrenswiderrechtlich erhoben wurde, gerichtsverwertbar ist. Eben so die Frage, ob der Berufsgenossenschaft als beklagter Partei im Sozialgerichtsverfahren das Recht auf rechtliches Gehör verwehrt wird, sollten sachverständige gutachterliche Stellungnahmen ihrer Beratungsärzte – sehr selten: Beratungsärztinnen – aber auch externer Sachverständiger unberücksichtigt bleiben, weil die betreffende BG (oder Unfallversicherungsträger) zu ihrer Erstellung die Sozial- und Gesundheitsdaten der VersicherungsnehmerInnen und klagenden Partei offenbart haben.

Die insgesamt damit verbundene  juristische Problematik erschließt sich aus folgenden Sozialgerichtsurteilen - auch für den Laien in durchaus verständlicher Weise:

z.B.
SozialG Karlsruhe, Urteil vom 12.3.2008 mit Az.:S 4 U 1615/07:

Landessozialgericht (LSG) NRW vom 14.07.2004 mit Az.: L 17 U 106/02 :

Landessozialgericht NRW vom
20.06.2007 mit Az.: L 17 U 125/04:
(zuvor SG Dortmund mit Az.: S 21 U 101/99)

Wie das Bundessozialgericht die aufgeworfenen juristischen Streitfragen letztendlich entschieden hat, erfahren Sie hier:

BSG-Urteil mit Az.: B 2 U 24/04 R finden Sie hier:

BSG-Urteil mit Az.: B 2 U 8/07 R finden Sie hier:


BSG-Urteil mit Az.: B 2 U 10/07 R finden Sie hier: Word

Zur Erinnerung.

Der Datenschutzparagraf 200 Abs. 2 SGB VII lautet:

2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Wichtig dazu ist die Bundestagsdrucksache aus der 13. Legislaturperiode mit der Br. 4853. Sie enthält das Protokoll des Ausschusses für Arbeit und Soziale Sicherung zu diesem 1997 in das damals neue Sozialgesetzbuch VII aufgenommenen § 200 Abs. 2. Die Begründung zum Text des § 200 SGB VII findet sich auf Seite 22 der BT-Drucksache.

Den Text der Bundestagsdrucksache 13/4853 finden Sie hier:

§ 199 Abs. 2 SGB VII

Keine Entscheidungen gibt es bis jetzt zum Datenschutzparafgrafen 199 Abs. 3 SGB VII, obwohl auch er sehr häufig in UVT-Ermittlungsverfahren zu Arbeits- und Wegeunfällen sowie Berufskrankheiten ignoriert wird.

Absatz 3 lautet:

(3) Bei der Feststellung des Versicherungsfalls soll der Unfallversicherungsträger Auskünfte über Erkrankungen und frühere Erkrankungen des Betroffenen von anderen Stellen oder Personen erst einholen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem schädigenden Ereignis oder der schädigenden Einwirkung vorliegen.

 

 



 

 

Zu den Auseinandersetzungen zur Geltung des Sozialdatenschutzes nach den §§ 67 ff SGB X vor der Sozialgerichtsbarkeit, vor allem der Geltung des 

§ 200 Abs. II SGB VII in Verbindung mit (i. m. V.) der Bundestagsdrucksache 13/4853, Gutachterauswahl- und Gutachtervorschlagsrecht der VersicherungsnehmerInnen nicht nur in den GUV-Verwaltungsverfahren sondern auch in SG-Prozessen, siehe unter Rechtsprechung/Sozialrecht

 

 

 

 

 

Wichtiger Hinweis für alle Sozialversicherten:

 

Da die Sozialversicherungsträger in zunehmenden Maße die Akten ihrer Versicherten und VersicherungsnehmerInnen elektronisch verdaten und die Papierakten vernichten, ist es außerordentlich wichtig dass dabei keine Dokumente manipuliert werden oder verloren gehen können.

 

Wir rufen alle Betroffenen dazu auf, sich an ihre Sozialversicherung zu wenden. Erfragen Sie den Stand der Dinge und lassen Sie sich die Angaben zur Verfahrensweise der jeweiligen Sozialbehörde (GKV, GRV, Integrationämter, Berufsgenossenschaften/Unfallkassen und Pflegeversicherung) schriftlich geben. Welche Rechte Sie haben und wie die Verfahrensweise betreff Anlegen und Führen einer Elektronischen Patientenakte sein soll, entnehmen Sie bitte dem folgenden Arbeitspapier der EU-Datenschutzbeauftragten.

 

Ihre Crash-Redaktion, 27.06.2007

 

 

Arbeitspapier

Verarbeitung von Patientendaten

in elektronischen Patientenakten (EPA)

15. Februar 2007

 

 

ZUSAMMENFASSUNG

Das Arbeitspapier der Artikel 29-Datenschutzgruppe zur Verarbeitung von Patientendaten in elektronischen Patientenakten (EPA) gibt eine Interpretationshilfe zu den auf EPASysteme anwendbaren Datenschutzbestimmungen und erläutert einige der allgemeinen Grundprinzipien. Es liefert darüber hinaus konkrete Hinweise zu den Anforderungen, die bei der Einrichtung von EPA-Systemen an den Datenschutz gestellt werden müssen, und zu den Schutzmechanismen, die diese Systeme bieten müssen.

 

Die Datenschutzgruppe geht zunächst auf die allgemeinen Datenschutzbestimmungen im Zusammenhang mit EPA-Systemen ein. Ausgehend von dem generellen Verbot der Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten in Artikel 8 Absatz 1 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG beschäftigt sie sich mit der Anwendbarkeit der Ausnahmeregelungen von Artikel 8, Absätze 2,3 und 4 auf EPA-Systeme und plädiert dabei

für eine enge Auslegung dieser Vorschriften.

 

Des Weiteren stellt die Datenschutzgruppe Überlegungen zu einem geeigneten Rechtsrahmen für EPA-Systeme an und gibt Empfehlungen zu elf Themenkomplexen ab, bei denen der Bedarf an speziellen Maßnahmen zum Schutz der Daten eines Patienten und eines jeden Einzelnen besonders deutlich wird, nämlich:

 

1.     Wahrung des Selbstbestimmungsrechts

2.     Identifizierung und Authentisierung von Patienten und medizinischem

        Personal

3.     EPA-Zugangsberechtigung zu Eingabe- und Konsultationszwecken

4.     Verwendung der EPA für andere Zwecke

5.     Organisationsstruktur eines EPA-Systems

6.     In EPA gespeicherte Datenkategorien und Art ihrer Präsentation

7.     Übermittlung medizinischer Daten in Drittländer

8.     Datensicherheit

9.     Transparenz

10.   Haftung

11.   Kontrollmechanismen für die Verarbeitung von EPA-Daten

 

Die Artikel 29-Datenschutzgruppe fordert die Ärzteschaft und Angehörigen der Heilberufe sowie alle sonstigen beteiligten Personen und Einrichtungen sowie die breite Öffentlichkeit auf, sich zu dem vorliegenden Arbeitspapier zu äußern.                   [Bitte lesen Sie hier weiter]



 

Allgemeine Urteile zur Informationellen Selbstbestimmung (Datenschutz)

 

- Vorratsdatenspeicherung

 

- 1 BvR 256/08 -

 

Verfassungsbeschwerde gegen die §§ 113a, 113b des Telekommunikationsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (BGBl I 2007, S. 3198 ff.)

hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

Was das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - am 11. März 2008 beschlossen hat, lesen Sie hier


 

- Heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems

 

- 1 BvR 370/07 -

- 1 BvR 595/07 -

Leitsätze

  1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.
  2. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen.
  3. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems ist grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen. Das Gesetz, das zu einem solchen Eingriff ermächtigt, muss Vorkehrungen enthalten, um den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen.
  4. Soweit eine Ermächtigung sich auf eine staatliche Maßnahme beschränkt, durch welche die Inhalte und Umstände der laufenden Telekommunikation im Rechnernetz erhoben oder darauf bezogene Daten ausgewertet werden, ist der Eingriff an Art. 10 Abs. 1 GG zu messen.
  5. Verschafft der Staat sich Kenntnis von Inhalten der Internetkommunikation auf dem dafür technisch vorgesehenen Weg, so liegt darin nur dann ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG, wenn die staatliche Stelle nicht durch Kommunikationsbeteiligte zur Kenntnisnahme autorisiert ist.
    Nimmt der Staat im Internet öffentlich zugängliche Kommunikationsinhalte wahr oder beteiligt er sich an öffentlich zugänglichen Kommunikationsvorgängen, greift er grundsätzlich nicht in Grundrechte ein.

 Das vollständige Urteil finden Sie hier