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Druckluftarbeiter oder Taucher befinden sich je nach Arbeits- oder Wassertiefe in unterschiedlich hohem Überdruck (1 atü entspricht einem Druck von 1 kg/qcm oder 2 ata oder etwa 10 m Wassertiefe) und werden später wieder nach bestimmten festgesetzten Zeiten in den normalen Atmosphärendruck zurückgebracht.
Mit steigendem Druck werden die in der Atemluft enthaltenen Gase, insbesondere Stickstoff, vom Körper vermehrt aufgenommen. Der sich im Körper vollziehende Lösungsvorgang dieser Gase verlangsamt sich mit zunehmender Sättigung. Der Grad der Sättigung ist abhängig von der Arbeits- oder Tauchtiefe, Expositions- oder Tauchzeit sowie der unterschiedlich starken Durchblutung und dem unterschiedlich großen Stickstoffbindungsvermögen der Körpergewebe. Dabei tritt zuerst eine Sättigung der Körperflüssigkeiten, nach längerer Einwirkungsdauer eine solche der lipoid- und fetthaltigen Gewebe ein.
Die Entsättigung des Körpers muß langsam vor sich gehen,
damit der bei Druckentlastung freiwerdende Stickstoff über das Herz-
und Kreislaufsystem und die Atmungsorgane abgeatmet werden kann. Erfolgt
die Druckherabsetzung zu schnell, so kann freigewordener Stickstoff in
Körperflüssigkeiten, wie Blut, Lymphe, Liquor, Gelenkflüssigkeiten,
sowie auch in den Geweben zur Bildung von Gasblasen führen. Luftembolien
sind die häufigsten Ursachen der Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft.
Ebenso kann die sog. autochthone Stickstoffentbindung, d. h. das Freiwerden
von Stickstoff innerhalb der Zellen, vorübergehende oder dauernde
Gesundheitsschäden bewirken.
Nach zu schnellem Ausschleusen oder Auftauchen treten innerhalb der ersten halben Stunde, vielfach auch erst nach Stunden oder Tagen, je nach Größe, Anzahl oder Lokalisation im Körper befindlicher Gasblasen, mehr oder weniger heftige "Druckfallbeschwerden" auf. Zu den Krankheitssymptomen gehören z. B. Gelenk- und Muskelschmerzen, Ohrensausen, Schwerhörigkeit, Mono-Paraplegie, Tonusverlust der Muskulatur ("Zusammensinken des Körpers"), Aphasie und Asphyxie. Mehrtägige Temperatursteigerungen beruhen evtl. auf einer gestörten Wärmeregulation. Örtliche Zirkulationsstörungen können Gefäßerweiterungen, Ödeme und Marmorierung der Haut verursachen.
Auch ein Herzinfarkt infolge von Stickstoffgasembolie ist möglich.
In der Regel klingen Beschwerden und Symptome der Drucklufterkrankung nach Wiedereinschleusung (Rekompression auf den vorausgegangenen Arbeitsdruck), die in jedem Falle die in Frage kommende Behandlungsmaßnahme ist, in relativ kurzer Zeit ab.
Dauernde Lähmungen, vorwiegend der unteren Gliedmaßen sowie
Symptome des Menièreschen Syndroms, sind infolge der Stickstoffgasembolien
im Zentralnervensystem möglich. Auch vorübergehende psychische
Störungen, epileptiforme Anfälle, Schäden im Hirnstamm und
evtl. röntgenologisch nachzuweisende Dauerschäden in den großen
Gelenken können Folgeerkrankungen von Arbeit in Druckluft sein.
Für die Diagnoseerstellung und Beurteilung sind die eingehende
Anamnese und Ermittlung der speziellen Arbeitsbedingungen hinweisgebend.
Dabei ist die Kenntnis der Arbeitstiefen oder Atmosphären-Überdrucke
und des Bodenprofils, der Ein- und Ausschleusungszeiten sowie der Dauer
der Arbeiten im Überdruck von Wichtigkeit.
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