Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Arbeitsmedizin_
 

 Merkblatt zur BK Nr. 2111:
Erhöhte Zahnabrasionen durch mehrjährige quarzstaubbelastende Tätigkeit
 

 


 Erhöhte Zahnabrasionen durch mehrjährige quarzstaubbelastende Tätigkeit
Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
(Bek. des BMA, BArbBl 3/93 S. 58)


Zahnabrasion ist der langsam fortschreitende Verlust von Zahnhartsubstanzen, d. h. von Zahnschmelz, später auch Dentin, an Kauflächen und Schneidekanten.

I. Vorkommen und Gefahrenquellen

Erhöhter Abrieb von Zahnhartsubstanzen kann durch Partikel in der Nahrung (= Demastikation) und insbesondere durch bestimmte Staubarten, die sich nach Mundatmung am Arbeitsplatz im Speichel anreichern, verursacht werden.

Epidemiologische Untersuchungen zeigen übereinstimmend, daß bestimmte Personengruppen, insbesondere Beschäftigte in Granit-Steinbrüchen, Bergleute, Steinmetze und Steinhauer nach Einwirkung quarzhaltiger Stäube am Arbeitsplatz eine erhöhte und schneller fortschreitende Abrasion an den Kauflächen der Zähne aufweisen, welche Krankheitswert annehmen kann.

Als weitere Ursachenfaktoren der arbeitsbedingt erhöhten Abrasion werden Vibrationen sowie vermehrte Kauaktivität (Parafunktionen) infolge schwerer körperlicher Arbeit und Streß diskutiert, sind aber bisher nicht gesichert.
 

II. Pathophysiologie

Bei Mundatmung gelangen Staubpartikel verschiedener Korngröße in die Mundhöhle, die sich anreichern und mit dem Speichel verteilt werden. Die Härte kristalliner Quarzpartikel liegt in der Größenordnung der Härte des Zahnschmelzes (MOHS-Skalierung etwa 7-8). Sie übertrifft diejenige des Dentins bei weitem. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen bei Granitarbeitern haben gegenüber Vergleichskollektiven größere Spurrillen mit Schmelzaussplitterungen auf den Abrasionsflächen infolge von Granitstaubpartikeln gezeigt. Damit ist erwiesen, daß quarzhaltige Staubpartikel direkt und in erster Linie für die erhöhte Zahnabrasion bei dieser Personengruppe verantwortlich sind.

Inwieweit Tonuserhöhungen der Kaumuskulatur bei schwerer körperlicher Arbeit (sog. Mitinnervation), Streß oder vermehrte Knirschbewegungen durch Fremdkörper auf den Kontaktflächen der Zähne induziert werden und eine wesentliche Mitursache der vermehrten Abrasion darstellen, konnte anhand von epidemiologischen Untersuchungen bisher nicht abgegrenzt werden.
 

III. Krankheitsbild und Diagnose

Zahnhartsubstanzverlust kann auch physiologischerweise infolge von Abnutzung durch direkten Zahnkontakt (Attrition) entstehen. Als Attrition wird der Verlust von Zahnhartsubstanz durch alleinigen Antagonistenkontakt beim Schlucken und Sprechen bezeichnet. Vermehrte Kauaktivität bei Parafunktionen (Knirschen und Pressen) kann zu erhöhter Zahnabrasion führen. Das Ausmaß der Zahnabrasion kann auch durch Faktoren wie Anzahl, Stellung und Hypoplasien der Zähne beeinflußt werden. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt der Abrasionsgrad in der Allgemeinbevölkerung zu. Frauen weisen ein geringeres Ausmaß der Zahnabrasion als Männer auf. Zahnabrasion ist ferner differentialdiagnostisch von Karies, Erosion, Hypoplasie, Fraktur und Resorption abzugrenzen.

Die Übergänge zwischen physiologischer und pathologischer Abrasion sind fließend. Orientiert man die pathologische Abrasion an der Behandlungsbedürftigkeit, so sollte dann behandelt werden, wenn das Dentin im Bereich der Kauflächen mehr als nur punktförmig, d. h. flächig, freiliegt. Bei diesem Erkrankungsstadium schreitet die Abrasion im weicheren Dentin zunehmend schneller fort.

Bei ausgeprägter Zahnabrasion kann es durch Bißsenkung zu Beschwerden im Bereich der Kaumuskulatur kommen. Bei generalisierter starker Zahnabrasion sind vor einem prothetischen Ersatz ggf. Bißhebung und funktionstherapeutische Maßnahmen erforderlich.
 

IV. Weitere Hinweise

Die Feststellung einer erhöhten Zahnabrasion durch quarzhaltigen Staub setzt neben einer zahnärztlichen Befunderhebung die Klärung der schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz voraus. Erforderlich sind hierfür die gezielte Erhebung der Arbeitsvorgeschichte und eine umfassende Tätigkeitsbeschreibung. Dabei ist abzuwägen, ob eine mehrjährige Einwirkung quarzhaltiger Stäube am Arbeitsplatz wesentlich zu der erhöhten Abrasion beigetragen hat. Ferner bleibt zu prüfen, ob andere, nicht arbeitsbedingte Umstände, wie ein frühzeitiger Zahnverlust, Parafunktionen oder Nahrungsmitteleigenschaften, an der erhöhten Abrasion wesentlich mitgewirkt haben.
 

V. Literatur

  • Berger, F.: Zahnabrasion - eine berufsbedingte Schädigung? Med. Diss. Marburg 1985
  • Demner, G. H., und Moldovanow, A.: Außerordentliche pathologische Abnützung der Zähne bei Arbeitern in Kohleschächten (russ) Stomatol. (Mosk) 59, 53 (1980)
  • Enbom, L., Magnusson, T., und Wall, G.: Occlusal wear in miners. Swed. Dent. J. 10, 165 (1986)
  • Heese, B., und Baldus, S.: Zahnschäden bei Steinbrucharbeitern. Arbeitsmed. Sozialmed. Präventivmed. 18, 12 (1983)
  • Hickel, R.: Zahnabrasion und beruflich bedingte Einflüsse bei Granitsteinbrucharbeitern. Med. Habilitationsschrift, Erlangen 1988
  • Hickel, R., Meier, J., und Kröncke, A.: Zahnabrasion bei Steinbrucharbeitern. Wissenschaftliches Gutachten an den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Steinbruch-Berufsgenossenschaft vom 20. 2. 1987
  • Pöllmann, L., Berger, F., und Pöllmann, B.: Age and dental abrasion. Gerodontics 3, 94 (1987)
  • Ring, A.: Zur Frage berufsbedingter Abrasionsschäden bei Steinmetzen und Steinhauern. Dtsch. Zahnärztl. Z. 39, 36 (1984)
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    © E.Münzberger 
    Letzte Überarbeitung: 1.3.1999