Dimethylformamid (DMF), Ameisensäuredimethylamid, Formyldimethylamin)
ist ein Lösemittel, das aufgrund seiner hervorragenden physikochemischen
Eigenschaften breiten industriellen Einsatz findet. An Arbeitsplätzen
liegt DMF als farblose Flüssigkeit vor. Bei einem relativ hohen Dampfdruck
von 3,52 mbar bei 20°C gelangt DMF beim offenen Umgang schnell in die
Luft am Arbeitsplatz. Da DMF nur wenig geruchsintensiv ist, entfällt
eine nennenswerte Warnwirkung bei niedrigen Konzentrationen.
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
DMF ist keine natürlich vorkommende Substanz. Es ist mischbar mit
Wasser und mit verschiedenen organischen Verbindungen. Aufgrund dieser
physikochemischen Eigenschaften ist es eines der am meisten verwendeten
Lösemittel. Hauptabnehmer für DMF ist die Kunstlederproduktion.
DMF wird insbesondere aber auch in der Produktion von Polyacrylnitrilfasern,
von Pflanzenschutzmitteln, von Speziallacken sowie bei der Kunststoffbeschichtung
(Polyurethane) verwendet. In diesen Produktionsbereichen wird DMF als Lösemittel,
Apsorptionsmittel für Gase und als Synthese-Ausgangstoff eingesetzt
Früher fand es auch Anwendung zur Herstellung von pharmazeutischen
und kosmetischen Produkten.
Neben der Aufnahme über die Atemluft wird DMF auch indirekt aus
der Dampfphase sowie bei direktem Hautkontakt perkutan leicht resorsorbiert.
II. Pathophysiologie
Sowohl bei dermaler als auch bei inhalativer Aufnahme wird DMF rasch im
Organismus verteilt. Die Metabolisierung von DMF erfolgt durch mikrosomale
Enzymsysteme in der Leber. Als Hauptmetabolit erscheint im Harn N-Hydroxymethyl-N-Methylformamid.
Der Metabolismus von DMF zeigt Wechselwirkungen mit dem Ethylalkoholabbau
und eine hemmende Wirkung auf die Aldehyddehydrogenase.
Kritisches Zielorgan ist die Leber. Ergebnisse aus tierexperimentellen
Untersuchungen an verschiedenen Spezies bestätigen diese spezielle
Organschädigung ungeachtet des Aufnahmeweges (oral, inhalativ, dermal).
Im Tierversuch äußert sich die Hepatotoxizität makroskopisch
in herdförmigen, über alle Leberbereiche verteilten, neurotischen
Veränderungen, besonders ausgeprägt im Bereich der Leberpforte.
Mikroskopisch imponieren die nekrotischen Areale durch eine Fibrose mit
Hämosiderin- und Calziumablagerungen unter Beteiligung von Makrophagen
mit scharfer Abgrenzung zu nicht geschädigtem Gewebe. Die in tierexperimentellen
Untersuchungen beobachteten Myokard- und Nierenschäden sowie zentralnervöse
Effekte wurden beim Menschen nicht beobachtet.
Nach Kontamination größerer Hautareale mit flüssigem
DMF wurde eine rasch einsetzende Irritation mit Hyperämie beschrieben.
Als weitere lokale Wirkungen sind Entfettung. Quellung und vermehrte Schuppung
der Haut sowie Reizungen an den Augenbindehäuten bekannt. Hinweise
für eine sensibilisierende Potenz von DMF ergaben sich bislang nicht.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Arbeitsmedizinische Erfahrungen mit DMF, gesammelt insbesondere bei akzidentiell
hohen Expositionen (WHO 1991) und in epidemiologischen Studien (Redlich
et al. 1988, Fleming et al. 1990, Wang et al. 1991), weisen die Leber sowohl
nach akuter als auch nach chronischer Einwirkung als kritisches Zielorgan
einer DMF-Schädigung aus. Die Leberzellschädigung führt
zu biochemischen Veränderungen im Serum (z.B. Erhöhung der g-GT
und Transaminasen). Im fortgeschrittenen Stadium kommen Beschwerden wie
Übelkeit, Erbrechen, Appetits- und Gewichtsverlust hinzu. Es ist schwierig,
zwischen alkoholinduzierter und toxischer Hepatopathie anderer Genese zu
differenzieren. In Leberbiopsien zeigten sich mikrovesikuläre Fetteinlagerungen
und Veränderungen des Leberparenchyms ohne ausgeprägte entzündliche
Infiltrate. Der feingewebliche Gesamteindruck entsprach einer Leberschädigung
toxischen Ursprungs. Die subjektiven Beschwerden können reversibel
sein.
IV. Weitere Hinweise
Insbesondere bei akuten Vergiftungen ist auch von Bluldruckveränderungen,
Tachykardien und EKG-Abnormitäten berichtet worden. Bei gleichzeitigem
Alkoholkonsum können die bekannten Symptome der Alkoholintoleranz
vom Disulfiramtyp (Flush-Syndrom) bereits durch Aufnahme geringer Mengen
DMF schon bei Konzentrationen unterhalb des MAK-Wertes auftreten. Als Ursache
dafür wird die hemmende Wirkung von DMF auf die Aldehyddehydrogenase
mit einer Akkumulation von Acetaldehyd betrachtet. Träger des HBs-Antigen
reagieren möglicherweise empfindlicher auf eine DMF-Exposition.
V. Literatur
-
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Bekanntmachung
einer Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim
BMA - Sektion "Berufskrankheiten" - zu Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid,
Bundesarbeitsblatt, - H. 4 (1996), 29 - 31
-
Cai, S. X., Huang, M.Y. Xi, L.Q., Li, Y. L., Qu, J. B., Kawai, T., Yasugi,
T., Mizunuma, K., Watanabe, T., Ikeda, M.: Occupational dimethylformamide
exposure. 3. Health effects of dimethylformamide after occupational exposure
at low concentrations Int. Arch. Occup. Environ. Health 63 (1992), 461-468
-
Fleming, L. E., Shalat, S. L., Redlich. C. A.: Liver injury in workers
exposed to dimethylformamide Scand. J. Work Environ. Health 16 (1990),
289-292
-
Henschler, D. (Hrsg.): Dimethylformamid, In: Toxikologisch-arbeitsmedizinische
Begründung von MAK-Werten der Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher
Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft VCH Verlagsgesellschaft,
Weinheim (1992)
-
Lauwerys, R. R., Kivits, A., Lhoir, M., Rigolet, P., Houbeau, D., Buchet,
J. P., Roels, H. A.:
-
Biological surveillance of workers exposed to dimethylformamide and the
influence of skin protection on its percutaneous absorption Int. Arch.
Occup. Environ. Health 45 (1980), 189-203
-
Lun, A., W. Schimmelpfennig, G. Roschlau: Zur Hepatotoxizität
von Dimethylformamid Z. klin. Med. 42 (1987), 2003 - 2006
-
Redlich, A., Beckett, W. S, Sparer, J., Barwick, K. W., Riely, C. A.,
Miller, H. . Sigal, S. L., Shalat, S. L., Cullen, M. R.: Liver disease
associated with occupational exposure to the solvent dimethylformamide
Ann. Intern. Medi 108 (1988),68-686
-
Scailteur, V., Lauwerys, R. R.: Dimethylformamide (DMF) Hepatoxicity
Toxicology 43 (1987), 231-238
-
Wang, J. D., Lai, M. Y., Chen, J. S., Lin, J. M., Chiang, J. R., Shiau,
S. H., Chang, W.S.: Dimethylformamide-induced liver damage among synthetic
leather workers Arch. Environm. Hlth. 46 (1991), 161
Wir haben das Merkblatt
für Sie abgeschrieben und versucht, den Originalwortlaut ganz genau
zu übertragen.
Dennoch können uns Fehler
unterlaufen sein, wofür wir Sie um Verzeihung bitten.
Verbindlich ist nur der im
Bundesarbeitsblatt veröffentlichte Wortlaut.
|