Universität Rostock
- Medizinische Fakultät
Institut für Arbeitsmedizin
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Merkblatt zur BK Nr. 1311:
Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide
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Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl oder Alkylarylsulfide
(Bek. des BMA vom 20.7.1977 im BABl Fachbeilage Arbeitsschutz 8/9/1977)
Unter den halogenierten Alkylsulfiden ist fast nur der bis Kriegsende
hergestellte und in Versuchsstellen untersuchte Kampfstoff 2,2 Dichlordiäthylsulfid
(Schwefellost) von praktischer Bedeutung. Die gelegentlich als Fungizide
und Akarizide verwendeten halogenierten Aryl- und Alkylarylsulfide sind
weniger bedeutungsvoll.
I. Gefahrenquellen
2,2 Dichlordiäthylsulfid wird auch heute noch gelegentlich als Fundmunition
aus vergrabenen oder versenkten Beständen geborgen und vernichtet.
Gefährdet sind in erster Linie Angehörige von Munitionsbergungs-
und -beseitigungstrupps.
II. Pathophysiologie
2,2 Dichlordiäthylsulfid ist gut lipoidlöslich. Es wird in flüssiger
oder Dampfform zunächst ohne Reizerscheinungen durch Haut- und Schleimhäute
resorbiert. Als starkes, fermentative Prozesse blockierendes Zellgift führt
es neben Allgemeinstörungen auch zu Organschäden. Subtoxische
Stoffmengen können nach längerer Einwirkung auch ohne manifeste
Erscheinungen charakteristische Spätschäden bewirken.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Akute Einwirkung von 2,2 Dichlordiäthylsulfid auf die Haut führt
nach einer Latenzzeit von Stunden zu ödematöser, sulziger Schwellung
mit Blasenbildung und schwer heilenden Geschwüren. Das Auge mit seinen
Anhangsgebilden ist besonders gefährdet. An den oberen und tieferen
Atemwegen entwickeln sich katarrhalische Reizerscheinungen bis zu pseudomembranösen
Entzündungen, Lungenödem und Bronchopneumonie.
Gastritiden und Gastroenteritiden wurden beobachtet. Die resorptive
Wirkung kann sich am dritten Tage in einer progredienten Leukopenie mit
Störung der Knochenmarksreifung äußern. Die allgemeine
Widerstandskraft des Organismus ist herabgesetzt, sekundäre Infekte
sind häufig. Die Heilungstendenz solcher Schäden ist auffallend
schlecht.
Nach akuten Schäden durch 2,2 Dichlordiäthylsulfid, aber auch
nach längerer Einwirkung subtoxischer Dosen kann es nach Jahren zu
charakteristischen Spätfolgen mit chronischer Bronchitis, Bronchiektasen
und Emphysem kommen. Als Ausdruck der resorptiven Wirkung besteht häufig
starkes Untergewicht mit dem Bilde einer trockenen Dystrophie. Anazide
Gastritiden sind nicht selten, Osteoporose wurde beobachtet. Die Infektionsresistenz
ist für mehrere Jahre herabgesetzt, so daß Furunkulose und Parodontose
häufig sind. Chronische Nebenhöhlenaffektionen gelten als typisch.
Die vegetative Regulation von Herz und Kreislauf kann gestört sein,
Libido und Potenz sind häufig beeinträchtigt. Im Blutbild findet
sich eine Eosinophilie. Vitalitätsminderung und depressive Zustände
sowie eine Voralterung wurden als Lostschäden beschrieben.
2,2 Dichlordiäthylsulfid besitzt als alkylierende Substanz eine
kanzerogene Wirkung, die für die Luftwege und den Magen als gesichert
gelten kann. Karzinome der Harnblase sind wahrscheinlich.
IV. Weitere Hinweise
Entscheidend ist die Vorgeschichte. Es ist zu berücksichtigen, daß
2,2 Dichlordiäthylsulfid meist mit anderen Stoffen (z. B. organischen
Arsenverbindungen) gemischt wurde.
Wir haben das Merkblatt
für Sie abgeschrieben und versucht, den Originalwortlaut ganz genau
zu übertragen.
Dennoch können uns
Fehler unterlaufen sein, wofür wir Sie um Verzeihung bitten.
Verbindlich ist nur der
im Bundesarbeitsblatt veröffentlichte Wortlaut.
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© E.Münzberger
Letzte Überarbeitung: 1.3.1999
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