Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Arbeitsmedizin
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  Merkblatt zur BK Nr. 1310: Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- od. Alkylaryloxide 
 
 

Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide
Merkblatt zu BK 1310
(Bek. des BMA vom 10. 7.1979 im Bundesarbeitsblatt 7/8/1979)

Bei den halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden handelt es sich um halogenierte Alkohole, halogenierte Ather, halogenierte Epoxide und um halogenierte Phenole. Zu diesen Verbindungen zählen insbesondere:

- die chlorierten Alkyloxide:
 
  Athylenchlorhydrin (2-Chlor-äthanol)   ClCH2-CH2-0 

1,2-Dichlorhydrin (2,3-Dichlor-l-propanol)  C1CH2-CHCl-CH2

1,3-Dichlorhydrin (1,3-Dichlor-2-propanol)   C1CH2-CH(OH)-CH2Cl

Epichlorhydrin (1-Chlor-2,3-epoxipropan)    _______ 
  |             | 
 O-CH2-CH-CH2Cl 

Dichlordimethyläther (1,1-Dichlordimethyläther)   ClCH2-O-CH2Cl 
  Monochlordimethyläther (Chlormethyl-methyläther)   H3C-O-CH2Cl 
  Dichlordiäthyläther (2,2-Dichlordiäthyläther)  ClCH2-CH2 O-CH2- CH2 Cl 
 

- die chlorierten Aryloxide:
 

Monochlorphenole (2-, 3-, 4-Chlorphenol)   C6H4Cl (OH) 

Dichlorphenole (insbes. 2,4-Dichlorphenol)   C6H3C12 (OH 

Trichlorphenole (insbes. 2,4,5-Trichlorphenol und 2,4,6-Trichlorphenol)   C6H2C13 (OH) 

Pentachlorphenol   C6H C15 (OH) 

"Dioxin", TCDD (2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-p-dioxin)  FormelDioxin
 

- die chlorierten Alkylaryloxide:
 
  Chlorkresole (insbes. 4-Chlor-2-methyl-phenol und 4-Chlor-3-methyl-phenol)  C6H3CI (OH) CH3 
 
 

I. Gefahrenquellen

Chemische Verbindungen dieser Klasse werden u. a. verwendet: Einige Stoffe dieser Klasse können als unerwünschte Nebenprodukte entstehen z. B. Tetrachlordibenzo-p-dioxin bei der Herstellung von Trichlorphenol, Dichlordimethyläther bei der Herstellung von Monochlordimethyläther.
 

II. Pathophysiologie

Die genannten halogenierten organischen Sauerstoffverbindungen führen bei lokaler Einwirkung zu mehr oder weniger starken Reizerscheinungen an Haut und Schleimhäuten. Die Aufnahme erfolgt auch über die Atemwege. Bei vielen Substanzen in fester oder flüssiger Form, insbesondere beim Athylenchlorhydrin, ist jedoch die perkutane Resorption von besonderer Bedeutung. Nach Aufnahme in den Organismus kann es zu Stoffwechselstörungen sowie zu Leber- und Nierenschädigungen kommen. Auch Lungen und Bronchien sowie das Zentralnervensystem können betroffen sein.

III. Krankheitsbild und Diagnose

1. Chlorierte Alkyloxide Die genannten Stoffe besitzen eine starke lokale Reizwirkung auf Haut und Schleimhäute, insbesondere die Schleimhäute der Augen und des Respirationstraktes; diese Wirkung ist beim Epichlorhydrin besonders stark. Systemische Schäden können am Zentralnervensystem sowie an Leber und Nieren auftreten. Eine massive Exposition kann auch ein Lungenoedem hervorrufen. Das Vergiftungsbild ist gekennzeichnet durch zentralnervöse Symptome (Somnolenz und Verwirrungszustände, ggf. Koma), Störungen der Leberfunktion bis zum vollen klinischen Bild der toxischen Hepatitis (Transaminasenanstieg!), toxische Nephrose mit Hämaturie und Albuminurie. Neben der Aufnahme über die Atemwege ist die Möglichkeit der perkutanen Resorption besonders zu beachten. Die genannten Äther besitzen eine starke Schleimhautreizwirkung, die von Monochlordimethyläther über die Dichlordimethyläther zu Dichlordiäthyläther abnimmt.
Die chlorierten Äther entfalten in höheren Konzentrationen narkotische Wirkungen. Dichlordiäthyläther kann bei der Inhalation außer Schleimhautreizungen Übelkeit und Brechreiz bewirken. Bleibende Organschäden sind nicht bekanntgeworden.

Bei der Herstellung und Verarbeitung von Dichlordimetyläther wurde eine Häufung von Bronchialkarzinomen mit auffallend geringer Latenzzeit beobachtet. Monochlordimethyläther erwies sich bislang nicht als eindeutig kanzerogen, jedoch kann technischer Monochlordimethyläther bis -zu 7% mit Dichlordiinethyläther verunreinigt sein.

2. Chlorierte Aryloxide

Ähnlich wie Phenol verursachen auch die Chlorphenole nach Hautkontakt eine gewebsschädigende Wirkung (Haut-, Schleimhautreizungen bis zur Nekrose). Nach Resorption bewirken die Chlorphenole in entsprechender Konzentration motorische Erregung, Tremor, Krämpfe und Koma. Außerdem wurde Hyperpyrexie beobachtet. bat steigender Chlorierung nimmt die Krampfwirkung ab und die Hemmung der oxidativen Phosphorylierung zu.

Monochlorphenol hat also die stärkste zentralerregende Wirkung, während sie beim Pentachlorphenol fast vollständig fehlt und hier andere Organwirkungen im Vordergrund stehen.

Über Vergiftungsfälle durch reines 2,4,5-Trichlorphenol ist in der Literatur nichts bekannt. Aus 2,4,5-Trichlorphenol kann sich aber bei der Herstellung 2,3,7,8-Tetrachlordibenzop-dioxin (TCDD, "Dioxin") bilden. Dioxin kann auch als Verunreinigung in 2,4,5-Trichlorphenol enthalten sein. Es kann zur Chlorakne (Pernakrankheit), aber auch zu systemischen Schädigungen, wie toxischen Leberzellschädigungen und toxischen Polyneuritiden führen.

Bei Pentachlorphenol wurden neben der Schleimhaut Reizwirkung der Dämpfe und gelegentlichen Dermatitiden durch Kontakt mit der Flüssigkeit auch allgemeine Vergiftungszustände (Mattigkeit, Schweißausbrüche, Atemnot) durch Einatmung der Dämpfe beobachtet. Chronische Vergiftungen sind bisher wissenschaftlich nicht erwiesen.

Pentachlorphenol kann als Verunreinigung Octachlordibenzo-p-dioxin enthalten, das im Prinzip ähnlich wirkt wie TCDD, aber deutlich weniger toxisch ist.
 
3.   Chlorierte Alkylaryloxide
      Chlorkresole

Über die Toxizität der Chlorkresole finden sich in der Literatur keine konkreten Angaben. Es ist jedoch anzunehmen, daß ihre Wirkung ähnlich ist wie die der Chlorphenole.
 

IV. Literatur

Goldmann, P. J.: Schwerste akute Chlorakne durch Trichlorphenolzersetzungsprodukte. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Arbeitshygiene, 7. Jahrgang (1972), 1, S. 12-18

Hofmann, H. T.: Neuere Erfahrungen mit hochtoxischen Chlorkohlenwasserstoffen. Arch. exper. Pathologie und Pharmakologie 1 (1957), 232

Ludewig, R.; Lohs, K.: Akute Vergiftungen. Gustav Fischer Verlag Stuttgart (1974)

Moeschlin, S.: Klinik und Therapie der Vergiftungen. Georg Thieme Verlag Stuttgart (1972)

Patty, F. A.: Industrial Hygiene and Toxicology. Vol. II Interscience Publishers (1963)

Schwetz, B. A. et al: Toxicology of Chlorinated Dibenzo-pdoxins. Environmental Health Perspectives Exp. Issue 5 (1973) S. 86 ff.

Thiess, A. M.; Hey, W.; Zeller, H.: Zur Toxikologie von Dichlordimethyläther - Verdacht auf kanzerogene Wirkung auch beim Menschen -. Zbl. für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz, Band 23 (1973) 4, S. 97-102

 

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Verbindlich ist nur der im Bundesarbeitsblatt veröffentlichte Wortlaut.


© E.Münzberger 
Letzte Überarbeitung: 1.3.1999