Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Arbeitsmedizin
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  Merkblatt zur BK Nr. 1309: Erkrankungen durch Salpetersäureester 
 

Erkrankungen durch Salpetersäureester
 Merkblatt zu BK Nr. 16 der Anl. 1 zur 7. BKVO
(Bek. des BMA v. 28.10.1963, BArbB1 Fachteil Arbeitsschutz 1963, 283)

 I. Vorkommen und Gefahrenquellen

Salpetersäureester sind Verbindungen der Salpetersäure mit ein- und mehrwertigen Alkoholen. Es sind häufig ölige, z. T. leicht flüchtige Flüssigkeiten.

Gesundheitsgefährdend sind insbesondere Nitroglykol (C2H4[ONO2]2) und Nitroglyzerin (C3H5[ONO2]3), die für die Herstellung von Sprengstoffen verwendet werden. Gefahrenquellen sind das Nitrieren, Gelatinieren, Mischen und Patronieren. Auch Umgang mit diesen Stoffen in bestimmten Laboratorien sowie Kontakt mit aufgerissenen, nicht exploierten Sprengstoffpatronen, z. B. bei Abraumarbeiten, können gesundheitsgefährdend sein. Dies trifft nicht für die z. B. in Lackfarben enthaltene Nitrozellulose zu.

II. Aufnahme und Wirkungsweise

Die Aufnahme der Salpetersäureester erfolgt sowohl über die Atemwege als auch durch Hautresorption. Flüchtigkeit und Hautdurchdringungsvermögen nehmen von den einwertigen zu den mehrwertigen Alkohol-Salpetersäureverbindungen hin ab.

Nitroglykol ist auch aus diesem Grunde stärker giftig als Nitroglyzerin. Dagegen spielt die im Organismus bei Nitroglykoleinwirkung einsetzende Nitritbildung eine untergeordnete Rolle.

Infolge Einwirkung von Salpetersäureestern kommt es zur Blutgefäßerweiterung mit Absinken zunächst des systolischen und bei weiterer Exposition auch des diastolischen Blutdruckes. Neben der peripheren Kreislaufwirkung mit ihren Folgen ist evtl. ein durch diese Stoffe bedingter zentraler Effekt möglich.

Die chronische Einwirkung kleinerer Mengen bewirkt auch als Ausdruck eingetretener Gegenregulationen langsam eine Erhöhung des diastolischen Blutdruckes. Dadurch wird die Blutdruckamplitude deutlich kleiner.

III. Krankheitsbild und Diagnose

Schon nach kurzer Exposition, insbesondere mit Nitroglykol, können in erster Linie Kopfschmerzen, später auch Schwindel, Gefühl der Trunkenheit, Brechreiz, Gesichtsrötung, Hitzegefühl, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen auftreten. Über Schmerzzustände in der Herzgegend, die dann ähnlich denen der Angino pectoris sind, kann geklagt werden. Oft ist der Blutdruck erniedrigt; selten besteht eine Bradykardie.

Nach einer gewissen Zeit der Exposition mit kleineren Dosen tritt oft eine Gewöhnung ein, die dazu führt, daß die Beschwerden geringer werden und auch schon bei Arbeitsunterbrechungen, z. B. am Wochenende, völlig zurückgehen. Bei Wiederaufnahme der Arbeit, z. B. am folgenden Montag, kann es zu einem Rückfall der Beschwerden kommen, weshalb die Erkrankung auch als sog. Montagskrankheit bezeichnet wird. Vorausgegangene körperliche und psychische Belastungen können sich ungünstig auswirken.

Plötzliche Todesfälle nach Kreislaufkollaps und durch akutes Herzversagen sind nach Arbeitspausen - Urlaub, Wochenende (sog. Montagssterbefälle) - oder Arbeitsplatzwechsel beobachtet worden.

Ausschlaggebend für den weiteren Krankheitsverlauf ist der Grad der Kreislaufregulationsstörungen. Die innerhalb der Erythrozyten gelegenen sog. Heinzschen Körperchen sind nur dann festzustellen, wenn gleichzeitig eine Einwirkung von nicht zu den Salpetersäureestern gehörenden aromatischen Nitrokörpern, wie Trinitrotoluol u. ä., stattgefunden hat, was für Arbeiten in der Sprengstoffherstellung zutreffen kann.
 

IV. Hinweise für die ärztliche Beurteilung

Arbeitsanamnese, klinischer Befund und evtl. das Ergebnis von Luftanalysen, z. B. auf Nitroglykol- und Nitroglyzeringehalt, sichern die Diagnose.

Abgesehen davon, daß in Einzelfällen die toxische Kreislaufregulationsstörung plötzlich enden kann, ist im allgemeinen die Prognose, insbesondere nach Wegfall der entsprechenden Exposition, günstig. Spätschäden sind kaum zu erwarten.
 

     
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    © E.Münzberger 
    Letzte Überarbeitung: 1.3.1999