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Insektizide haben in der ganzen Welt größte Verbreitung
gefunden, und zwar einmal zur Sicherung der Welternährungsbasis, zum
anderen zur Bekämpfung von Krankheiten, die durch Insekten übertragen
werden, z.B. Malaria durch die Anopheles-Stechmücke, Schlafkrankheit
durch die Tsetse-Fliege.
Organophosphate werden auch als Herbizide und Fungizide eingesetzt. Organische Phosphorverbindungen werden darüber hinaus in der Herstellung von Kunststoffen und Lacken. als Weichmacher, Härter und Beschleuniger verwendet, ferner als Emulgatoren, Flammschutz-, Flotations- und Netzmittel, Hydraulilkflüssigkeiten, Schmieröladditive, Antiklopfmittel u.a.m. Beispiele hierfür sind Mono-, Di- und Trialkylphosphate wie Diäthyl- und Tributylphosphat, Triarylphosphate, z.B. Trikresylphosphat, sowie Alkylarylphosphate.
Hauptgefahrenquelle durch Insektizide auf Phosphorsäureesterbasis
bestehen bei der industriellen Herstellung, Formulierung und Abfüllung,
auch im Rahmen der Schädlingsbekämpfung beim Mischen, Versprühen
oder durch Verdampfen. Insbesondere gilt dies bei mangelnder Beachtung
einschlägiger Sicherheitsbestimmungen und Gebrauchsanweisungen. Weitere
Gefahren ergeben sich aus der Wiederverwendung leerer Flaschen und Behälter,
die vorher mit Phosphorsäureestern gefüllt waren.
Tri-Alkylphosphat wird als Extraktionsmittel zur Abtrennung von Uran-
und anderen Metallionen aus wäßrigen Lösungen eingesetzt
und stellt hierbei eine Gefahrenquelle dar.
Für die Giftwirkung im Warmblüterorganismus ist der in der
Schrader-Formel mit X bezeichnete nukleophile Rest (leaving-group, sog.
acide Gruppe) die wichtigste Voraussetzung. Sie ermöglicht die Reaktion
der Phosphorsäureester mit bestimmten Enzymen, insbesondere Esterasen.
Praktisch müssen die insektiziden Phosphorsäureester als Hemmstoffe
der Cholinesterase gelten. Einige Organophospate, z. B. Tri-orthokresylphosphat,
aber auch einige Insektizide verursachen nach einer Latenz von 1-2 Wochen
Lähmungen durch irreversible Demyelinisierung motorischer Nerven und
der zugehörigen Rückenmarksbahnen. Der Wirkungsmechanismus dieser
Vergiftungsform ist noch unbekannt.
Im einzelnen kommt es durch Anreicherung von Acetylcholin an den Endungen der postganglionären cholinergischen Nerven des Auges, der glatten Muskulatur des Herzmuskels und der sekretorischen Drüsen zu muskarinartigen Wirkungen wie: Tränen und Speichelfluß, erhöhte Bronchialsekretion, Bronchospasmus (Dyspnoe), Lungenoedem, erhöhte Magen- und Darmdrüsensekretion, erhöhte Peristaltik und Spasmus mit Koliken, Durchfälle und Erbrechen, Miosis, Akkomodationsstarre (Sehstörungen), Bradykardie, Gefäßtonusminderung mit Blutdrucksenkung, Schweißdrüsenstimulierung.
Die Anreicherung von Acetylcholin an den motorischen Nervenendungen (Muskelendplatten) verursacht nikotinartige Wirkungen wie: Muskelsteife, besonders im Nacken und Gesicht, Tremor, Muskelzuckungen, tonisch-klonische Krämpfe, Sprachstörungen, Parästhesien, neuro-muskulärer Block mit Adynamie bis zur kompletten Paralyse. Bei chronischer Einwirkung wurde eine Reduktion der Nervenleitgeschwindigkeit in schnellen und langsamen motorischen Nervenfasern beobachtet sowie eine Reduktion der EMG-Spannungsamplitude auf einen supramaximalen Reiz.
Diese Veränderungen müssen nicht unbedingt mit manifesten
klinischen Symptomen oder mit einer gleichzeitigen Reduktion der Cholinesteraseaktivität
vergesellschaftet sein. Die beobachteten Veränderungen der motorischen
Nervenleitgeschwindigkeit sowie die Änderungen im EMG gehen nach Beendigung
der Exposition spontan und langsam zur Norm zurück. Ein eigenes Krankheitsbild
stellen die Lähmungen motorischer Nerven durch Tri-ortho-kresylphosphat
- auch nach perkutaner Resorption - dar.
Weil Organophosphate durch Reaktion mit Cholinesterase oder durch andere metabolische Prozesse schnell abgebaut werden, wird meist nur ein sehr kleiner Teil unverändert im Urin ausgeschieden. Deshalb ist bei positivem Urinbefund nur eine qualitative Aussage möglich. Soweit Alkylphosphate eine Nitro-phenoxygruppe (als acide Gruppe X der Schrader-Formel) enthalten, kann ihre Aufnahme durch den Nachweis von p-Nitrophenol im Urin nachgewiesen werden.
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